Schichten / Strata
Schichten entstehen aus unbeständigen, ungeformten Materien, Strömungen, Intensitäten und Partikeln in dem sie "Intensitäten in Resonanz- und Redundanzsysteme einschließen. [...] Schichten fangen etwas ein [...]"1 Sie sind "Ansammlungen, Gerinnungen, Ablagerungen und Faltungen: Gürtel, Zangen oder Gliederungen".2 Wobei Gliederungen auch Artikulationen, Akkumulationen und Codierungen bilden. Grob betrachtet gibt es drei große Schichten. Erstens, die chemo-physisch-geologische, zweitens die organisch-biologische und drittens die anthropomorph-technisch-technologische Schicht. Eine Schicht kann aus vielen weiteren Schichten bestehen, die alle stets doppelt artikuliert, gezeitigt, produziert und gegliedert werden. Die eine Artikulation filtert aus instabilen Strömen Einheiten und Substanzen heraus, die sie nach den Eigenschaften dieser Substanzen ordnet, verbindet, aneinanderreiht, formt. Dementgegen richtet sich die andere Artikulation zuerst nach vorgegebenen funktionalen Strukturen, die die Substanzen in-form-bringen.3 Die erste Artikulation bildet "geformte Materien" und bildet einen Inhalt. Die zweite Artikulation drückt sich nach funktionale Strukturen aus und erzeugt einen Ausdruck.4 Diese doppelte Artikulation (Inhalt und Ausdruck) auf der Mikroebene einer Schicht wirkt sich auch auf die größeren Feldern und Ebenen in einem Gefüge aus und ist zudem aus der Medienperspektive betrachtet relevant, weil die Doppelung von realen, physikalischen Artikulationen und symbolisch-semiotisch-abstrakte Artikulationen eine mediale Grundkonstellation bildet. Inhalt und Ausdruck sind folglich stets medial verschränkt und bildet eine Einheit: Die Schicht ist immer doppelt-medial artikuliert. Der Unterschied zwischen Schichten und Gefüge besteht darin, dass sich Schichten durch ihre bereits gegebene Lagen auszeichnen, und dass sich diese Vorgänge oft lange bevor es intelligente Affen auf der Erde gab formierten, während Gefüge eher als neue Erfindungen intelligenter Lebewesen zu betrachten wären. Es gibt aber auch zahlreiche, zwar kontingente, aber historisch gewachsene, stabile Schichten, die erfunden wurden, wie etwa die Kommunikationsprotokolle TCP/IP. Solche Schichten wurden zur Infrastruktur digitaler Gefüge.
Schichten sind verhärtete, sehr stabile, territorialisierte Gefüge. Sie bestehen aus "Kompositionseinheiten",5 das heißt aus chemo-physisch-geologischen, organisch-biologischen oder anthropomorph-technisch-technologische Einheiten. Materialien in Schichten stammen aus deren Substrata. Zwischen Schicht und Subschicht oder Substrata besteht ein "Wechsel der Organisation",6 aber keine Steigerung. Weil diese Substrata die Schichten umgeben bilden sie das Milieu einer Schicht. Doch nicht nur das: Zu den Substrata kommen die Epistrata und Parastrata hinzu. Epistrata bilden Schichten der Vermittlung entlang von Grenzen und Membranen. Sie liegen räumlich über und auf (parallel); oder passieren zeitlich nach der entsprechenden Schicht. Epistrata (Auf- oder Nachschichten) verbinden Milieus und Schichten miteinander, wohingegen Parastrata (Nebenschichten) durch die Ansammlung, Einverleibung, Aneignung von Materialien neben den Grenzen und Membranen gebildet werden.7 Parastrata sind räumlich neben und bei; oder passieren gleichzeitig mit der entsprechenden Schicht. Hier wird die Umgebung, das Milieu, einer Schicht erfasst, verändert, erkannt und gebildet. Beispiele aus dem Organisch-Biologischen sind Aktivitäten wie die Erschließung von Energiequellen in der Zellatmung, das Erkennen von Materialien durch Perzeption und das Einfangen mit entsprechenden Komponenten durch Reaktion, wodurch Neben-Schichten gebildet werden.
Epistrata und Parastrata sind die eigentlichen Strata, denn "[e]ine Schicht selber existiert nur in ihren Epistrata und Parastrata [...]"8 Als eigentliche Schichten werden sowohl Epi- als auch Parastrata stets doppel artikuliert, im Falle der anthropomorph-technisch-technologischen Schicht wären dies: "technologischer Inhalt [und] symbolischer oder semiotischer Ausdruck. Unter Inhalt sind nicht nur Hand und Werkzeuge zu verstehen, sondern eine sozio-technische Maschine, die vor ihnen da ist und Kraftzustände oder Machtgebilde schafft (wobei Macht hier soviel wie Vermögen, Fähigkeit oder Potenz bedeutet). Unter Ausdruck sind nicht nur Gesicht und Sprache oder Sprechweisen zu verstehen, sondern auch eine kollektive, semiotische Maschine, die vor ihnen da ist und Zeichenregime schafft."9 Spätestens mit den anthropomorph-technisch-technologischen Schichten tauchen Maschinen auf, die von Menschen als Teil einer Schicht erkannt, durch Gefüge beschrieben und schließlich transformiert werden können.
Zitationsvorschlag: Miyazaki, Shintaro (2024): Eintrag, "Schichten" in, Catalogue, Katalog. URL: https://init-c.de/catalogue/ ("Abrufdatum").